Der offene Brief des LSBR an die Bildungspolitik

Der offene Brief an die Bildungspolitik

Landesschülerbeirat Presse |
Der offene Brief des LSBR an die Bildungspolitik
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Offener Brief an die Bildungspolitik in Baden-Württemberg

Sehr geehrte Frau Ministerin Schopper, sehr geehrte Landesregierung, sehr geehrte
Mitglieder des Landtags, sehr geehrte Damen und Herren,
die Situation in der baden-württembergischen Bildungslandschaft ist schon seit Jahren
festgefahren. Auch die vor den Sommerferien präsentierte Bildungsreform ist wohl kaum ein
großer Wurf. Die größten Problemherde werden ausgeblendet. Dabei ersetzt zu oft
Aktionismus weitsichtige Schulpolitik. Darunter leiden vorrangig die 1,5 Millionen
Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg.
In der Schule erhalten wir veralteten Unterricht, mit überholten Unterrichtskonzepten und
aus der Zeit gefallenen Inhalten. Darüber hinaus ist die Schulausstattung oft schlecht und
die Lehrer angesichts steigender Anforderungen, vor allem abseits des Klassenzimmers,
überlastet. Die Konsequenz daraus halten uns die schlechten Ergebnisse der PISA-Studien,
VERA 3 & VERA 8 sowie des IQB-Bildungstrends seit langem vor Augen. Auch zahlreiche
weitere Studien, wie IGLU und TIMSS, bestätigen die Abnahme der Leistungsfähigkeit
unseres Schulsystems.
Doch nicht nur im Hinblick auf den Leistungsabfall kommt die Bildungspolitik nicht voran,
sondern auch bei der Bekämpfung der grassierenden Chancenungleichheit stagniert sie.
Der Leistungsunterschied zwischen sozial privilegierten und benachteiligten Schülerinnen
und Schülern liegt in Deutschland weit über dem OECD-Durchschnitt. Die Differenz ist dabei
seit 2012 nicht kleiner geworden. Die Ergebnisse haben gleichzeitig verdeutlicht, dass sich
Leistungsniveau und Bildungsgerechtigkeit nicht gegenseitig ausschließen (PISA 2022).
Trotzdem beginnen Akademikerkinder in 79 % der Fälle ein Studium, während diese Zahl bei
Nicht-Akademikerkindern nur bei 29 % liegt (Meyer-Guckel et al. 2021). Der Bildungserfolg
hängt leider nach wie vor maßgeblich vom sozioökonomischen Hintergrund ab.
Viele dieser Probleme könnten sicherlich gelöst oder zumindest reduziert werden, wenn vor
Ort genug Personal vorhanden wäre. Doch auch hier konnten mit den bisherigen
Maßnahmen kaum Fortschritte erzielt werden. Die Lücke, die der Lehrermangel an Schulen
hinterlässt, ist immens. Aktuell klafft in Baden-Württemberg eine Differenz von ca. 8.000
Vollzeit- und 2.000 Teilzeitlehrkräften bis zur optimalen Versorgung (KM). Zudem fehlt es an
Pädagogen und Sozialarbeitern.
Daneben ergeben sich zahlreiche weitere Felder, in denen seit Jahren nennenswerte
Veränderungen ausbleiben: Inklusion, mentale Gesundheit, Bürokratie, die Diskrepanz
zwischen zukünftigen Herausforderungen von jungen Menschen und in der Schule
vermittelten Inhalten und der geringe Übergang in das duale Ausbildungssystem.
Wir begrüßen zwar Initiativen wie etwa SprachFit, dennoch werden viele der bereits
genannten Baustellen in der vorgelegten Bildungsreform gar nicht erst bearbeitet. Diese
scheitert daran, die grundsätzlichen Probleme anzugehen und eine tragfähige Vision für die
Zukunft des Schulwesens in Baden-Württemberg aufzuzeigen. Diese Problematik zeigt sich
sehr deutlich bei der Vertiefung der Demokratiebildung in den Fächern
Gemeinschaftskunde und Geografie. Grundsätzlich ist dies zwar zu begrüßen, doch an und
für sich kein großer Fortschritt. Wer echte Demokratiebildung an Schulen umsetzen möchte,
muss Demokratie nicht nur theoretisch im Unterricht behandeln, sondern auch praktisch vor
Ort vermitteln. Unser Bildungssystem baut immer noch auf dem Top-Down-Prinzip auf, bei
dem der Schülerschaft kaum Mitbestimmungsrechte gewährt werden.

Hier wäre eine Stärkung der SMV-Rechte und die Einführung eines separaten
Stundenkontingents für die Verbindungslehrer der weitaus wichtigere Schritt gewesen. Ein
ähnliches Problem zeigt sich bei der von der Landesregierung geplanten Stärkung der MINT-
Fächer. Hier wurde leider nur der einfache Weg gewählt, nämlich die Stundenkontingente
der betreffenden Fächer zu erhöhen. Hätte man sich hier wahrhaftig mit dem Problem
auseinandergesetzt und mit den Schülerinnen und Schülern gesprochen, dann hätte man
Unterrichtskonzepte, Inhalte und Motivationsanreize gleich mit überdacht.
Für uns ist klar, dass es umfassendere Schritte braucht, um allen Beteiligten im
Bildungssystem das Gefühl zu geben, dass wir nun endlich den Ausgang aus der
Bildungskrise schaffen.
Wir, die Schülerschaft, sehen trotz allem großes Potenzial. Wir sind tagtäglich in Kontakt mit
zahlreichen Akteuren im Schulwesen, die sich einbringen wollen, die mit Expertise und
Leidenschaft positive Änderungen in der Bildungslandschaft bewirken wollen.
Die Möglichkeiten sind da, sie müssen nur genutzt werden. Die gescheiterte
Bildungsinitiative in Bebenhausen, aber auch der jüngst erschienene Brandbrief des
Städtetags, zeigen eindrücklich, dass es jetzt gemeinschaftlich erarbeitete Lösungen
braucht. Um dies zu erreichen und um Baden-Württemberg endlich eine langfristige
Perspektive für unsere Schulen zu bieten, fordern wir die Einrichtung einer „Enquete-
Kommission Bildung“. Diese soll ausdrücklich mit dem Ziel antreten, die bereits genannten
Probleme effektiv zu bekämpfen und die andauernde Selbstblockade der Beteiligten im
Bildungssystem zu überwinden. Wir erhoffen uns, dass daraus nicht einfach nur ein weiteres
Gremium, sondern vielmehr eine von der Öffentlichkeit gut beobachtete Instanz wird, die
sich für den Ausstieg aus der Bildungsmisere verantwortlich zeigt. Wenn sich alle Akteure
ein Stück weit kompromissbereit zeigen, dann kann daraus eben jener große Wurf werden,
den man den 1,5 Millionen Schülerinnen und Schülern schuldig wäre.

Mit freundlichen Grüßen,
der Landesschülerbeirat

Hier zur PDF: Landesschülerbeirat - Offener Brief an die Bildungspolitik

 

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Der offene Brief an die Bildungspolitik

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