1952 haben sich die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum neuen Bundesland Baden-Württemberg zusammengeschlossen. In der am 19. November 1953 inkraftgetretenen Landesverfassung wurde die Beteiligung der Schüler am Schulleben ausdrücklich in Artikel 21 Absatz 1 festgeschrieben: „Die Jugend ist (…) an der Gestaltung des Schullebens zu beteiligen.“ Die Landesverfassung verpflichtet somit den Landesgesetzgeber, alle Ebenen der Schulverwaltung und alle schulischen Akteure, eine Beteiligung der Schüler am Schulleben positiv zu ermöglichen.
Bereits am 20. Januar 1953 erschien in Baden-Württemberg ein erster Erlass zur Mitwirkung der Schüler am Schulleben. Neben der Gründung des Landesschulbeirats als offizielles Beratungsgremium des Kultusministeriums betraf der Erlass insbesondere die Einrichtung von Elternbeiräten und Schülervertretungen an den baden-württembergischen Schulen: „Die Schulleiter haben dafür zu sorgen, dass die Schülervertretungen am Anfang jedes Schuljahres ordnungsgemäß gewählt werden.“ Auch die Wahl von Verbindungslehrern war vorgesehen. Sowohl die Klassenvertreter als auch der Vorsitzende des Gesamtschülerrats bedurften jedoch der Bestätigung durch den Klassenlehrer bzw. den Schulleiter. Letzterer konnte sogar den Rücktritt von Mitgliedern der Schülervertretung verlangen, wenn diese sein Vertrauen nicht mehr besaßen.
Der Erlass hatte es zu jener Zeit jedoch schwer, in der täglichen Schulpraxis durchzudringen. Die Aufgabenbereiche der Schülervertreter wurden damals vorwiegend in Ordnungsaufgaben, im „hilfreichen Tun“ („Heimbringen jüngerer Schüler“, „Singen in Krankenhäusern und Altenheimen“, etc.) und im sportlichen und musischen Bereich gesehen.
Im Jahr 1962 wurde das in Artikel 21 Absatz 2 der Landesverfassung ausdrücklich erwähnte Fach „Gemeinschaftskunde“ eingeführt. 1965 wird durch Minister Prof. Dr. Wilhelm Hahn mit dem Landeselternbeirat ein weiteres Beratungsgremium des Kultusministeriums und eine Landeselternvertretung in Baden-Württemberg eingerichtet.
1968 stellte das damalige Ministerium für Kultus und Sport nach einem Vortreffen von Verbindungslehrern und Schülersprechern einen ersten Entwurf zu einer SMV-Richtlinie zur Diskussion. Am 30. März 1970 wird ein zweiter Entwurf der SMV-Richtlinien des Kultusministeriums fertiggestellt, in dem die Mehrheitsforderungen der Schülervertreter berücksichtigt wurden. Nach mehreren Hearings mit Schülersprechern und den politischen Parteien erlässt das Kultusministerium am 25. August 1970 die „Vorläufigen Richtlinien zur SMV“. Im Juli 1970 werden an den Oberschulämtern zum ersten Mal SMV-Beauftragte berufen.
Im Jahr 1976 erlässt das Kultusministerium die Verordnung über Einrichtung und Aufgaben der Schülermitverantwortung (SMV‐Verordnung), die bis heute die Grundlage der SMV-Arbeit in Baden-Württemberg bildet. Gleichzeitig wurde an jeder Schule mit der Schulkonferenz ein Entscheidungsgremium eingerichtet, das aus Lehrer-, Eltern- und Schülervertretern besteht. Im neuen Schulgesetz von 1983 wurde die SMV mit ihren Grenzen und Freiräumen zum ersten Mal gesetzlich verankert (§§ 62-70).
Nach einer Änderung der Landesschulbeiratsverordnung gehören dem Beratungsgremium ab 1980 auch acht Schülervertreter an. In jedem der vier Oberschulamtsbezirke wurden zwei ordentliche und zwei stellvertretende Mitglieder von den Schülersprechern gewählt und anschließend vom Kultusministerium berufen. Auch nach einem Meinungsaustausch der Schülervertreter im Landesschulbeirat im Jahr 1982 mit Kultusminister Mayer-Vorfelder wird eine eigene Landesschülervertretung jedoch weiterhin abgelehnt. Stattdessen wird 1990 die Zahl der Schülervertreter im Landesschulbeirat auf sechzehn erhöht. 1993 wird zum ersten Mal ein Schülervertreter zum stellvertretenden Vorsitzenden des Landesschulbeirats gewählt.
Mit dem Amtsantritt von Kultusministerin Dr. Marianne Schultz-Hector, die bis 1978 selbst Mitglied des Landeselternbeirats und von 1980 bis 1984 Vorsitzende des Landesschulbeirats gewesen war, änderte sich im Jahr 1991 die Haltung hinsichtlich einer eigenen Landesschülervertretung. Sie betraute die sechzehn Schülervertreterinnen und -vertreter im Landesschulbeirat mit der Aufgabe, ein Modell für eine landesweite Schülervertretung zu entwickeln und auszuarbeiten.
Rund 40 Jahre nach der Einrichtung der SMV wurde mit der Änderung des Schulgesetzes von Baden-Württemberg zum 1. August 1993 der Landesschülerbeirat Baden-Württemberg – kurz LSBR – offiziell als drittes Beratungsgremium und eigenständige Landesschülervertretung eingeführt. Die zweijährige Amtszeit begann am 1. April 1994. Am 9. Mai 1994 trafen sich die 24 Mitglieder des Landesschülerbeirats zur konstituierenden Sitzung im Neuen Schloss in Stuttgart. Dabei wurde Harald Teufel zum ersten Vorsitzenden des Gremiums gewählt. Der Etat des Landesschülerbeirats betrug damals rund 36.000 DM pro Jahr und reichte gerade für die Fahrtkosten der Mitglieder; im Wahljahr kamen nochmals zusätzlich 15.000 DM hinzu. Im Vergleich dazu waren für den Landeselternbeirat rund 100.000 DM pro Jahr im Haushalt eingeplant.
Die Anzahl der Schülervertreter im Landesschulbeirat wird ab 1996 wieder auf acht reduziert; diese werden nun vom Landesschülerbeirat vorgeschlagen.
Als größte landesweite Schülerveranstaltung findet der erste Landesschülerkongress am 14. November 1997 in Leinfelden-Echterdingen statt und ist damals noch eintägig. Ab 1999 sind die in der Regel alle zwei Jahre stattfindenden Kongresse auf zwei Tage angelegt.
Auf Anregung des Landesschülerbeirats wird 1998 die SMV-Verordnung geändert, so dass auch Schüler, die nicht Mitglied des Schülerrats sind, zum Schülersprecher gewählt werden können.
Am 3. Juli 2004 konstituierte sich in Leipzig mit der Bundesschülerkonferenz (BSK) die erste bundesweite Schülerinteressenvertretung Deutschlands. Dieser gehörten neben dem Landesschülerbeirat auch die Landesschülervertretungen aus Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen an. Erster Vorsitzender des neu gebildeten Gremiums wurde Dino Maiwaldt, der Vorsitzende des damaligen Landesschülerbeirats. Heute gehören der Bundesschülerkonferenz auch die Landesschülervertretungen von Bayern, Berlin und Hamburg an. Seit 2020 sind im Haushalt des Kultusministeriums für die Mitgliedschaft in der Bundesschülerkonferenz 6.000 € vorgesehen.
Im Zuge einer Verwaltungsreform werden die vier Oberschulämter als Abteilung 7 (Schule und Bildung) 2005 in die Regierungspräsidien Freiburg, Karlsruhe, Tübingen und Stuttgart eingegliedert.
Ende 2006 wird das Schulgesetz dahingehend geändert, dass die Schülergruppe in der Schulkonferenz eigenständig in der Lage ist, die Einberufung einer Schulkonferenz zu verlangen und durchzusetzen. Die Schülerschaft ist damit in diesem Punkt der Elternschaft gleichgestellt. Ebenfalls kann die SMV-Satzung nun vorsehen, dass der Schülersprecher und ein Stellvertreter nicht mehr vom Schülerrat, sondern von allen Schülern einer Schule direkt gewählt werden. In diesem Zusammenhang hat der Landesschülerbeirat ein Muster für eine SMV-Satzung entworfen, das von den SMVen als Grundlage genutzt werden kann; bis heute stellt der Landesschülerbeirat den SMVen einen solchen, an die jeweils aktuelle Gesetzeslage angepassten Entwurf zur Verfügung.
Im Jahr 2007 gibt der Landesschülerbeirat gemeinsam mit dem Schülernachrichtendienst (SND) das SMV-Handbuch für Baden-Württemberg heraus, welches immer noch durch den Förderverein des Landesschülerbeirats verkauft wird.
Mit der Projektreihe „Veni, Vidi, Vici – Die SMV als Start in deine Karriere“ will der Landesschülerbeirat 2009 gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft „SchuleWirtschaft“ Schülern Mut machen, sich in der SMV zu engagieren. Mit insgesamt vier Seminaren in allen Regierungsbezirken wurde Schülervertretern aufgezeigt, dass durch das Engagement in der SMV wichtige Kompetenzen erlernt werden, die später im Berufsleben von Nutzen sein können.
2011 wird die erste Jugendstudie in Baden-Württemberg veröffentlicht. Sie wird im Auftrag des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport in zwei- bis dreijährigem Abstand durch die Jugendstiftung unter Einbeziehung des Landesschülerbeirats umgesetzt. Befragt werde dabei jeweils rund 2.000 Jugendliche aus Baden-Württemberg im Alter von 15 – 17 Jahren. Ziel ist es, einen umfassenden Blick auf Einstellungen, Wertvorstellungen, Freizeitgestaltung und Zukunftsziele der jungen Generation in Baden-Württemberg zu erhalten. Seit der Jugendstudie 2022 kooperiert das Kultusministerium auch mit dem Institut für Sozialwissenschaften und Erziehungswissenschaft der Universität Stuttgart. Die Studien erschienen 2011, 2013, 2015, 2017, 2020 und 2022 und erfreuten sich großer Aufmerksamkeit.
Bis einschließlich 2012 fanden bei den Wahlen zum Landesschülerbeirat für die Werkrealschulen und Hauptschulen in jedem Stadt- und Landkreis Vorwahlen statt, in denen sog. Wahlmänner gewählt wurden, die anschließend auf Ebene des Regierungspräsidiums den Wahlausschuss für die Wahl des LSBR-Mitglieds bildeten. Wie bereits bei den anderen Schularten bzw. Schulartsgruppen finden zukünftig für die Werkrealschulen und Hauptschulen keine Vorwahlen mehr statt.
Ende 2012 startet die durch Mitglieder des Landesschülerbeirats initiierte Tagungsreihe “col_labs. Zukunftslabor“. Im Rahmen dieser sollen Jugendliche für Probleme sensibilisiert werden, mit denen gerade die jüngeren Generationen – wie zum Beispiel dem Klimawandel oder Ressourcenknappheit – in Zukunft konfrontiert sein werden, und darüber diskutieren, wie diese in Zukunft gelöst werden können. Das ursprünglich auf vier Veranstaltungen ausgelegte Projekt wird bis heute mit finanzieller Unterstützung durch das Kultusministerium fortgeführt.
Im Jahr 2013 wurde das Projekt „WIR macht Schule“ ins Leben gerufen – ein Projekt von Schülern für Schüler. Das Programm unterstützt Schülerinnen und Schüler dabei, an ihrer Schule eigene Aktionen, Projekte und Angebote umzusetzen. Dafür richtet der Landesschülerbeirat gemeinsam mit der Jugendstiftung Baden-Württemberg in regelmäßigen Abständen dreitägige, für die Schüler kostenlose Projektmanagement-Seminar aus, auf denen alle wichtigen Kompetenzen rund um Projektarbeit vermittelt werden. Gleichzeitig soll das vielfältige Engagement von Schülerinnen und Schülern durch die alle zwei Jahre stattfindende landesweite Ideenbörse sichtbar gemacht und der Öffentlichkeit mitgeteilt werden. Zurück geht das Projekt auf eine Initiative des Landesschüler-, Landeseltern- und Landesschulbeirats, des Kultusministeriums, der Jugendstiftung sowie des Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden.
Im Jahr 2014 wird die Zahl der Mitglieder im Landesschülerbeirat um zwei Vertreter der Schulen in freier Trägerschaft erhöht. Diesen kam seit 2008 eine Gastmitgliedschaft ohne Stimmrecht im Gremium zu. Eine weitere Erhöhung der Mitgliederzahl fand zwei Jahre später statt: Seit 2016 gehören dem Gremium auch vier Vertreter der Gemeinschaftsschulen an. Der Landesschülerbeirat fasst seitdem 30 Mitglieder und ebenso viele Stellvertreter. Auch die Anzahl der Schülervertreter im Landesschulbeirat ist wegen der Gemeinschaftsschule auf neun gewachsen.
Auf nachhaltiges Bestreben des Landesschülerbeirats gilt ab dem Schuljahr 2014/15 die Drittelparität in der Schulkonferenz. Eltern, Lehrer und Schüler haben nun mit jeweils vier Sitzen dieselbe Anzahl an Stimmen in der Schulkonferenz. Minderjährige Schülervertreter ab 16 Jahren dürfen nun auch an der Besetzung der Schulleiterstelle in der Schulkonferenz mitwirken (§ 40 SchG); bisher war dies nur volljährigen Schülern gestattet.
Im April 2016 wird nach Forderung des Landesschülerbeirats die Notenbildungsverordnung dahingehend ergänzt, dass pro Woche maximal drei Klassenarbeiten geschrieben werden „sollen“ (§ 8 Abs. 3 S. 3 NVO). Diese Ergänzung soll dazu beitragen, dass die Klassenarbeiten gleichmäßiger auf das Schuljahr verteilt werden und die Schüler entlastet werden. Bisher war lediglich geregelt, dass maximal eine Klassenarbeit pro Tag geschrieben werden soll.
Seit dem Schuljahr 2017/18 gibt das Kultusministerium jährlich in Zusammenarbeit mit dem Landesschülerbeirat eine Informationsbroschüre für Schülervertreter mit allen relevanten Informationen und Hilfestellungen zur SMV-Arbeit heraus. Die Broschüre wird zu Beginn eines jedes Schuljahres an alle Schulen im Land versandt und an alle gewählten Klassen- und Kurssprecher verteilt.
Nachdem sich der Landesschülerbeirat bereits im Rahmen der Bildungsplanreform 2016 vergeblich für eine Leitperspektive Demokratieerziehung eingesetzt hatte, wird ab dem Schuljahr 2019/2020 der Leitfaden Demokratiebildung verbindlich an allen öffentlichen und privaten allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eingeführt. Ebenfalls wird die SMV-Verordnung angepasst: Die Arbeit der Schülervertreter wird im Zeugnis ohne Wertung vermerkt, wenn der Schüler nicht dagegen widerspricht (SMV-Verordnung, § 1 Abs. 5).
Gemeinsam mit der Karlshochschule in Karlsruhe vergibt der Landesschülerbeirat seit 2019 ein Stipendium, das sich explizit an Schüler und Schülerinnen richtet, die sich durch Engagement in der Schülervertretung oder anderen schulischen Aktivitäten besonders hervortun. Das Stipendium umfasst die kompletten Studiengebühren für ein dreijähriges Bachelorstudium an der Karlshochschule.
Seit September 2020 ist der Landesschülerbeirat auch im Rundfunkrat des Südwestrundfunks (SWR) vertreten.
In seiner 30-jährigen Geschichte hat der Landesschülerbeirat insgesamt acht Kultusminister beraten.
Quellen:
- „Mitgestalten! Mitverantworten! Mitbestimmen? Unterwegs zur Mitbestimmung: Grenzen und Freiräume der SMV“ von Harald Geserer (2003)
- „SMV-GESCHICHTE: Die Geschichte der Schülermitverantwortung“ von Thomas Heckmann und Volker Kupka
- Pressemitteilung des Kultusministeriums BW vom 15. Juli 1993 (abgedruckt: SMV-Aktuell RP Freiburg von 1/93)
- Ebert, in: Haug, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, BWVerf Art. 21